Wir sprechen in der Chinesischen Medizin unentwegt über das Qi. Es gibt zu wenig oder zu viel Qi, es muß gut fließen und ist in sämtliche Vorgänge im menschlichen Körper involviert. Aber was ist Qi nun genau. Es ist durchaus Zeit, sich ein bißchen intensiver damit zu beschäftigen und auch für Sie greifbarer zu machen. Mit der einfachen Umschreibung, das ist Energie, wird man dem Konzept von Qi nicht ganz gerecht. Es ist sehr viel mehr.
Qi ist alles. Noch bevor ein Leben entsteht, gibt es Qi. Es ist noch nicht differenziert. Dort sind Begriffe wie Raum, Zeit, Energie, Individuum irrelevant. Eigentlich gibt es für diesen Zustand kein Wort, es ist mehr ein stilles Begreifen. Sobald Leben entsteht, wird Qi in Yin und Yang aufgeteilt. Aus der Einheit wird eine Zweiheit. Und durch das Spannungsfeld von Yin und Yang entsteht Bewegung. Solange wir leben, fließt auch Qi in uns oder vielleicht fließt es auch durch uns hindurch. Der Mensch steht zwischen Himmel und Erde, hier treffen sich das kosmische Qi aus der Atmung und das irdische Qi aus der Nahrung. Daraus entsteht ein ganzer Prozeß an Qi Umwandlung, unter anderem auch in Blut und Flüssigkeiten, eine materiellere Form von Qi.
Das Schriftzeichen für Qi hat zwei Teile, die zeigen, daß es gleichzeitig materiell und immateriell ist. Schon im Namen zeigt sich die veränderliche Natur von Qi. Der eine Teil wird mit “Luft, Dampf” übersetzt und der andere Teil mit “Reis”. Je nach Situation kann es verschiedene Gestalten annehmen, die sich unterschiedlich verhalten. Es kann im Menschen sehr zarte und feine Formen annehmen, aber auch grob und sehr dicht sein. Dennoch ist es ein Qi, das sich situationsbedingt wandelt. Für die Praxis ist es tatsächlich wichtig diese verschiedenen Qi-Arten zu unterscheiden. Im inneren des Körpers gibt es zum Beispiel das Nähr-Qi. Es ist dichter und seine Funktion ist die Ernährung, während an der Körperoberfläche ein feineres Abwehr-Qi sitzt, welches den Körper vor Eindringlingen schützt. Störungen äußern sich durch verschiedene klinische Zeichen und verlangen nach differenzierten Behandlungsmethoden, je nachdem, welches Qi betroffen ist. Am Ende sind sie aber zwei unterschiedliche Manifestationen ein und derselben Qi-Energie.
Qi muss fließen. Ich verstehe Qi auch als einen Fluß, der die Information im Körper verteilt. Ist dieser freie Fluß gestört, wird auch die Kommunikation unterbunden. Je nach Störung werden dann Bereiche im Körper nicht mehr erreicht. Es entsteht Kompression und letztlich Unordnung. Wie bei einer stillen Post, wo der letzte im Glied nur noch Kauderwelsch empfängt. Ist dieser Prozeß sehr weit fortgeschritten kondensiert das Qi und wird sehr materiell, was dann zu Knoten, Verhärtungen und Tumoren führen kann.
Polarität und Yin und Yang
In unserer Welt der Polarität, unterliegt Qi den Gesetzen von Yin (Materie, Magnetismus) und Yang (Energie, Elektrizität). Eines kann nicht ohne das andere existieren und ist immer in Relation zu dem jeweils anderen. Reines Yin und reines Yang gibt es nicht. Das Leben findet immer irgendwo dazwischen statt, mal mit mehr Yin und mal mit mehr Yang. Auch eine vollständige Balance von Yin und Yang bringt für das Leben in dieser Lebenswirklichkeit nicht viel, weil es zu Stillstand führt und nur im Tod erreicht wird. Dynamik und Bewegung entsteht aus dem Spannungsfeld zwischen Yin und Yang.
Trotzdem gibt es je nach Situation auch zu viel oder zu wenig von dem einen oder anderen und im Verhältnis zueinander. Auch das äußert sich klinisch, z.B. in Form von unangemessener Hitze oder Kälte im Körper oder Feuchtigkeit, wo sie nicht hingehört. Das ist dann ein Ansatz für die Behandlung, denn auf diese Ungleichgewichte kann die Chinesische Medizin wunderbar einwirken. Yin und Yang ist nochmal ein ganz eigenes Thema…
Übrigens immer wenn Sie sich in der Polarität verheddern, ist es gut, sich an den Zustand des Qi vor der Polarität zu erinnern. Dann spüren Sie wieder, dass beide Pole zur selben Energie gehören und ein und dasselbe Qi sind. Das bringt eine unglaubliche Entspannung und die beiden Pole verlieren ihre elektromagnetische Sogkraft.