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In der chinesischen Medizin ist der Spätsommer tatsächlich eine eigene Jahreszeit. Die zugeordnete Wandlungsphase ist die Erde. Die Erde ist das Zentrum. Während wir hier im Westen nur von vier Himmelsrichtungen sprechen, bezeichnen die Menschen fernöstlich von uns das Zentrum als fünfte Richtung. In der Mitte residiert der Kaiser und vermittelt zwischen Himmel und Erde.

Während sich das Qi mit den Wandlungsphasen Holz und Feuer aufwärts und nach außen bewegt (Yang) und mit Metall und Wasser zusammenzieht und nach innen bewegt (Yin), ist die Erde der stille Moment in der Mitte. Das Yang des Sommers ist noch nicht ganz gegangen und der Herbst mit der ersten Yin-Bewegung steht schon vor der Tür. Es ist ein großes Dazwischen. Die Party ist eigentlich vorbei, aber man sitzt noch mit einer Handvoll Menschen am nicht völlig abgeräumten Tisch und genießt die Stimmung, es ist noch nicht ganz vorbei. Die Tage sind noch angenehm warm, aber die Nächte werden schon kühler und sind Vorboten des Herbstes.

Nach dem üppigen Yang-Fest des Sommers beginnt wieder eine Zeit von mehr Ruhe und Einkehr, das Yin kehrt zurück. Aus bunten Bäumen und Pflanzen, haben sich Früchte entwickelt. Blühende Felder haben sich in nahrhaftes Korn verwandelt. Jetzt wird die Ernte eingebracht. Das Licht und die Wärme sind gespeichert in Früchten und Getreide und stehen uns im Herbst und Winter zur Verfügung. Es ist die Zeit der Erntedankfeste, um diesem ganz besonderen Moment im Jahr zu huldigen.

Die Erde ist die Achse, um die sich alles andere dreht. Eine gutes Zentrum befähigt dazu, immer wieder in die Balance zurückzukehren. Deshalb ist es auch in der Behandlung wichtig, erst einmal wieder eine kräftige Mitte aufzubauen. Das entsprechende Organ ist die Milz. Der Name der Milz lautet, beständige Präsenz. Sie zermahlt die Nahrung und stellt lautlos und unermüdlich Energie her, die dann den Körper über den Qi-Anteil des Blutes nährt. Das zugehörige Yang-Organ ist der Magen. Er schließt die Nahrung auf und ermöglicht den Zugang zu den wertvollen Nahrungsbestandteilen.

Die Farbe der Wandlungsphase Erde ist gelb. Die Natur bekommt einen sattgoldenen Schimmer. Und auch das Licht wird samtig und gelb bis golden. Fast wie ein Weichzeichner.

Jetzt ist eine gute Zeit gelbes Gemüse zu essen, wie Mais, Karotten, Kürbis, Kohlsorten, die ersten Äpfel. Die Mahlzeiten sollten kräftigend, aber immer noch leicht und mit milderen Gewürzen gewürzt sein. Um die Milz zu entlasten sollten die Speisen jetzt nicht mehr kühl sein, wie noch im Sommer, sondern mild warm. Zu viele Milchprodukte, hier vor allem Vollmilch und Käse, schwächen die Milz mit ihrer Feuchtigkeit.

Der Geist der Erde ist Yi, die Fähigkeit zu selbstreflektierendem Denken, welches dann über die Sprache nach außen getragen wird. Idealerweise stimmt das Gesprochene mit der Wahrheit des Herzens überein, was man dann vermutlich als aufrichtig bezeichnen könnte. Mit den kürzer werdenden Tagen beginnt man auch wieder mehr über sich nachzudenken. Die flirrende Yang-Energie , die einen nicht zur Ruhe kommen läßt, nimmt ab und damit auch die Ablenkung im Außen. Jetzt ist es wichtig, nicht zuviel zu grübeln, sondern noch ein gutes Gleichgewicht zwischen innerer Reflexion und äußeren Aktivitäten herzustellen. Denn zuviel Nachdenken schwächt die Milz. Genauso wie übermäßige Computertätigkeit.

Der Spätsommer ist eine besondere Zeit, eben ein Dazwischen. Und eine Rückkehr zur Mitte. Die Natur wandelt ihre Form und Farbe und stellt Nahrung in Hülle und Fülle zur Verfügung. Man setzt sich an den reichlich gedeckten Tisch und das darf sogar ganz selbstverständlich sein, es ist genug da. Aber es ist auch die Zeit, danke zu sagen.